Persönlichkeitsanteile und meine Geschichte

Dieser Artikel ist ein Seelenstriptease von mir, aus meiner eigenen Geschichte mit Dissoziationsproblemen und mit dem was ich geschafft habe. Damit möchte ich aufzeigen, was alles geht und wozu Geist und Seele in der Lage sind. Und damit allen Mut machen, die in ihrer persönlichen Reise vielleicht gerade am Punkt sind zu erkennen, was da ist.

Zunächst werde ich die Grundbegriffe erläutern, deren Verständnis nötig ist um dann meine Geschichte zu verstehen. Meine Geschichte folgt dann im Anschluss.

Grundbegriffe

Strukturelle Dissoziation

Wie im Beitrag Anscheinend Normale Teile und Emotionale Teile erläutert wird, verwenden wir hier die Sichtweise der Theorie der strukturellen Dissoziation als Erklärungsmodell.

Wir unterscheiden hier drei Arten von Teilen:

  • Einfache emotionale Teile: Einfache emotionale Teile kapseln schlicht eine überfordernde Situation ab, mit allen ihren überfordernden Emotionen. Sie kapseln jedoch nicht ihre Erinnerungen, sei es Faktenwissen oder andere Emotionen, vom Rest ab, sie geben diese Situation lediglich in einen sicheren Sandkasten, in dem diese toben können, ohne den Rest des Individuums zu beeinträchtigen.
  • Komplexe / massive emotionale Teile: Massive emotionale Teile sperren im Gegensatz zu den einfachen emotionalen Teilen auch weitere Emotionen und/oder Erinnerungen weg, das Individuum hat keinen Zugriff darauf. Die Erinnerungen, das Faktenwissen und die beteiligten Emotionen selbst, wären zu überfordernd, wenn sie abrufbar wären. Daher werden sie verdrängt, und sind bis auf Weiteres nicht zugreifbar.
  • Anscheinend normale Teile: Ist die Situation nicht nur massivst überfordernd, sondern zerstört sie als ganzes das Modell der Welt des Unbewussten, so kann sich ein anscheinend normaler Teil bilden. Dieser Teil ist anscheinend normal, hat alles, was eine eigene Persönlichkeit braucht. Und er agiert ganz alltagstauglich. Nur hat sich sein Modell der Welt so verändert, dass die Welt nach dem überfordernden Ereignis Platz findet. Im Zuge des Ereignisses direkt, oder in den darauffolgenden Ereignissen, sind mit hoher Wahrscheinlichkeit auch EP’s entstanden, die möglicherweise völlig verdrängt sind. Das macht es manchmal sehr schwer dem anscheinend normalen Teil auf die Spur zu kommen.
    Und im Extremfall wissen die derart entstandenen Teile nichts oder nur sehr wenig voneinander, und wir sind damit schon mitten in einer echten dissoziativen Identitätsstörung gelandet.

Wie Teile abspalten und wieder integrieren

Ist eine erlebte Situation aufgrund der Intensität der beteiligten Emotionen zu intensiv, um mit der vorhandenen Neurologie im Modell der Welt untergebracht und damit verarbeitet zu werden, so spaltet sich in der Neurologie zum Schutz vor Zerstörung (“Überlebensangst” im Trauma) dieses übermäßig aktivierte Areal vom Rest ab. Es werden einfach die verbindenden Neuronen deaktiviert.

Als Ergebnis ist ein eigener Bereich in der Neurologie entstanden, der über die herkömmlichen Geschehnisse nicht mehr aktiviert wird. Zum Schutz sind die Emotionen und ggf. auch das Wissen abgespalten.

Natürlich gibt es Trigger, die über andere Wege diese Teile wieder aktivieren. Die bekanntesten Beispiele sind die posttraumatischen Belastungsstörungen, wenn z.B. Soldaten die aus dem Krieg zurückkehren bei Feierlichkeiten und einem Feuerwerk komplett die Kontrolle verlieren und z.B. in unkontrollierbarer Angst versinken.

Wieder integrieren des Teiles heißt ihm wieder normale Zugriffswege über die Neurologie einräumen. Zu diesem Zweck darf der Teil vorab verstehen, dass die Bedrohung vorbei ist, und die Emotionen verarbeitet werden. Mit der Integration des Teiles kommt auch wieder mehr Einheit und Integrität in die Persönlichkeit, da der Teil ja bis zur Überlastung der Spezialist war für die dann überfordernden Emotionen.

(Täter-)Introjekte

Introjekte sind keine abgespaltenen Teile die nicht zugegriffen werden. Sie sind Bereiche die sich abgrenzen, aber aktiv im Geschehen dabei sind. Sie übernehmen die Rolle und Funktionen des Täters, wenn der Täter gegangen ist: (Selbst-)Kontrolle und (Selbst-)Bestrafung.

Derart werden die Introjekte zu die Persönlichkeit sehr stark regulierenden Entitäten im Geist des Menschen.

Wird zum Beispiel ein Kind durch eine Vertrauensperson, die ein cholerischer Gaslighter war, immer wieder erniedrigt und gedemütigt, so besteht eine hohe Wahrscheinlichkeit, dass dieser Missbrauch den dogmatischen terrorisierenden Stil des Täters in einem Täterintrojekt im Geist des Opfers endet.

Das Kind wird, wenn unbehandelt, ein Leben lang eine Stimme im Kopf haben, die es mit längst überholten Dogmen tyrannisiert und die Stimme wird alles kritisieren, was der dann erwachsene Mensch tut. Dies führt zu einem gestörten Selbstwert, öffnet Tür und Tor für jede Form des Missbrauchs. Und egal was dem Menschen widerfährt: Dieser Mensch traut sich niemals zu entscheiden, dass es jetzt angebracht ist, den Missbrauch zu stoppen. Denn die innere Stimme sagt ja laufen, dass der Mensch selber schuld ist und sich endlich ordentlich benehmen soll.

Täterintrojekte können gehen. Erst danach bist du frei.

Fetische

Ein Fetisch ist ein sozusagen heiliger Gegenstand, dem magische Kräfte zugeschrieben werden, und dem subjektiv eine besondere Bedeutung beigemessen wird.

Auch gewisse Verhaltensweisen oder Handlungen können als Fetisch dienen. Insbesondere im sexuellen Bereich wird der Begriff heutzutage verwendet.

Diese Definition passt recht gut zu dem, was mit dem Gegenstand einer Misshandlung passiert, die einem Kind wiederfährt. Wird in Kind z.B. missbrauchhaft erniedrigt und gedemütigt so kann dieser Missbrauch zwar dazu führen, dass dem Kind Respekt und Würde sehr wichtigsind.

Aber es wird möglicherweise auch einen tiefen inneren Fetisch entwickeln, der danach verlangt gedemütigt und erniedrigt zu werden. Wird dieses Verhalten nie reflektiert, so besteht höchste Gefahr, dass dieser Mensch dann als Erwachsener für seine Kinder unbewusst ebenfalls den Fetisch umgesetzt sehen will. Und es wird eine Situation erschaffen, die dies tut: Entweder durch Partnerwahl, indem ein solcher Typus Mensch gewählt wird, oder indem als Elternteil das selbst übernommen wird. Ist der Partner zwar gewählt, aber er wird nicht dem Fetisch entsprechend aktiv, dann wird dieser Partner unbewusst und subtil dorhingesteuert.

Wir alle kennen die Fälle, wo das vermeintliche Opfer eines verdeckten Psychopathen sich als der Soziopath herausgestellt hat, der den Täter ganz genau gesteuert hat. Und beide haben vermutlich das wenigste davon bewusst erlebt und wahrgenommen.

Meine Geschichte

Vorgeschichte

Ich beginne meine Erzählung im Alter von 14 Monaten. Bis dahin war ich ganz klar der Mittelpunkt des Universums. Dann wurde meine Schwester geboren. Und ich war plötzlich nicht mehr alleiniger Mittelpunkt. Und das war eine Katastrophe.

Da war ein Mucks vom kleinen Baby und die Aufmerksamkeit meiner Mama oder meines Papas war sofort weg.

Realistisch habe ich die Aufmerksamkeit sofort wieder gekriegt, aber es waren Sekunden des Verlustes, die mein damals kleines Gehirn in der bis dahin gewachsenen Neurologie völlig überfordert haben.

Und ich habe damals einen Teil mit Verletzung, Schmerz und einer Palette an Emoionen abgespalten. Einen ebenfalls 14 Monate alten Teil mit sehr wenig Sprachverständnis. Und dieser Teil hat verloren was ihm am wichtigsten war: das Eins-Sein, die Integrität mit den Eltern.

Auswirkungen der Abspaltung

Ich habe beim wiederholten Platzen des Modells meiner damals kleinen Welt jeweils die Verbindung verloren. Das Eins-Sein war weg.

Wie immer bei Kindheitstraumata wird der Gegenstand der Überlastung im späteren Leben zum Fetisch. Die volle Verbindung zu anderen Menschen ist zu meinem Fetisch geworden. Eins-Sein und Integrität sind zu meinem höchsten Wert geworden.

Was hab ich doch für ein Glück! Ich habe auf das Eins-Sein fokussiert und damit einen Fetisch ausgefasst der mir sehr dienlich ist. Stimmt, diesen rein körperlichen Sex, dem so viele Pornoseher nachjagen, damit kann man ich jagen. Ich will Herzensverbindung. Nicht mehr ud nicht weniger.

Wenn ich mir vorstelle, eine meiner Vertrauenspersonen wäre ein cholerischer Gaslighter gewesen, der mich gedemütigt und erniedrigt hätte. Dann wäre plötzlich Entwertung und Missbrauch zu meinem Fetisch geworden.

Bewusst oder unbewusst wünscht sich dann auch jeder seinen Fetisch für seine Kinder herbei, und wird das auch manifestieren im eigenen Leben und im Leben der Kinder.

Ich habe Riesenglück mit meinem Fetisch. Meiner Tochter kann ich Integrität und volle Herzensverbindung mit gutem Gewissen auch wünschen.

Hätte ich Entwertung und Missbrauch manifestiert. Und wäre unbewusst zum Täter geworden. Nein, ich habe Riesenglück. Danke, Universum.

Unfall und direkte Folgen

Zu meinem zwanzigsten Geburtstag schenkte ich mir dann einen schweren Radunfall. Mit dem Mountainbike bergab viel zu schnell unterwegs touchierte ich eine Betonmauer. Neben schweren Schädelverletzungen zertrümmerte ich mir auch das rechte Schlüsselbein und demolierte die Bewegungsnerven unter dem Schlüsselbein.

Als Folge kann ich zwar alles in meinem rechten Arm spüren, aber die meisten Muskeln sind nicht mehr ansprechbar und somit unbeweglich.

Das hat mich direkt meiner Identität als junger und begabter Mann beraubt und mich als ein – jetzt retropspektiv gesehen – als Häufchen Elend und Depressionen und Minderwertigkeitskomplexen zurückgelassen.

Jetzt ist plötzlich der emotional normal entwickelte bisherige geschäftsführende Teil vollständig abgespalten worden. Und es hat sich direkt ein neuer anscheinend normaler Persönlichkeitsanteil gebildet, der das Leben weitgehend weitergeführt hat.

Meine beiden ANPs haben Wissen und Informationen vollständig ausgetauscht. Aber außer einer entfernten Erinnerung wie es mit echten Emotionen war, wusste der neue Nach-Unfall-Teil nicht wie echtes erleben sich anfühlt.

Entwicklung abwärts

Als Folge versank ich für zwanzig Jahre in Depressionen und Minderwertigkeitskomplexen. Keiner rundum hat das mitbekommen, es war ja alles anders und ich habe gut gespielt.

Ich habe sogar ein erfolgreiches Leben geführt. War beruflich erfolgreich, hatte Beziehungen und eine wunderbare Tochter. Aber abgesehen von meiner Tochter war das alles nicht meins. Mir selber wären ganz andere Dinge wichtig gewesen im Leben. Ich habe halt gelebt, was andere für gut erachtet haben. Eh gut, aber halt nicht meins.

Erwachen

Nach zwanzig Jahren in mehr oder weniger tiefen Depressionen – gekoppelt an mehr oder weniger starkem Übergewicht – habe ich mir dann zum vierzigsten Geburtstag – vom Universum eingefädelt – eine Coaching-Ausbildung in NLP, Time Line Therapy® und Hypnose geschenkt.

Die Methoden sind mächtig, und nach neun Tagen intensivster Ausbildung waren die Depressionen weg. Wirklich weg. Einfach gegangen, nie wieder gekommen. Als hätte ich es nur einem Buch gelesen gehabt.

Und ab diesem Zeitpunkt habe ich meine Eigenverantwortung genommen und meine Selbstbestimmung zu leben begonnen. Ich habe Gewicht abgebaut und letztendlich alle, wirklich alle, Lebensbereich beendet und auf neue Beine gestellt.

Und es geht mir so gut damit.

Lernen, Verstehen, Integrieren

Wie läuft nun für mich so ein Zyklus der persönlichen Entwicklung ab?

Ich lerne das Fachgebiet in ausreichender Tiefe. Entweder mache ich ein Seminar oder lese Bücher, oder ich gehe zu einer Beratung und lasse mir vermitteln was ich ganz spezifisch brauche.

Dann verstehe ich das neue Wissen. Ich meine damit es sprachlich und logisch zu verstehen. Ich experimentiere damit, ich probiere, ich lerne mehr. Bis ich es einfach intuitiv ohne zu denken verstehe.

Und dann integriere ich es in mein Leben. Ich tue es. Ich wende es an.

Nehmen wir als Beispiel die NLP-Intervention der Teile-Integration. Ein sehr einfacher und schneller Prozess mittels dessen sehr viele Dissoziationen in Minuten gelöst werden können. Achtung, Spoiler: Nicht alle Teile integrieren vollständig.

Ich habe die Intervention gelernt. Und war geflasht beim allerersten Ausprobieren, unglaublich mächtig. Ich habe experimentiert und probiert. Mit mir selbst. Wie ich dann mehr Verständnis hatte auch mit Klienten.

Ich habe mich immer mehr und mehr drumherum gebildet. Psychologische Sicht der Teile bzw. der Dissoziation. Das ist ja, wenn es diagnostizierungwürdige Umstände sind etwas, das zumindest in Österreich in die Hände von Therapeuten gehört.

Und wie nach hunderten Stunden des Lernens, des Meditierens und des Experimentierens bereit war dieses Wissen tatsächlich zu integrieren habe ich mich daran gemach meine ANPs zu integrieren.

Und ich bin sofort gescheitert, es hat einfach nicht geklappt. Es fehlte eine weitere Phase des Lernens, Verstehens und Integrierens.

Introjekte

Mir fehlte das Verständnis der Introjekte, die für meine Gedankenwelt außerhalb der strukturellen Dissoziation liegen. Bitte, ich mag keine fachliche philosophische Diskussion eröffnen, ob strukturelle Dissoziation die Introjekte abdeckt oder nicht. In meinem Gedankenmodell tut sie es nicht.

Ich hatte dann in mir ein solches Täterintrojekt aus der Zeit unmittelbar nach dem Unfall entdeckt. Eine kalte zynische Stimme, die mir immer sagte, wie minderwertig ich doch bin. Ich wäre ja nicht ganz, nicht gut genug. Wie ich mir einbilden könnte, etwas zu können oder zu verdienen. Oder was ich wohl glaube was sich eine Frau denkt, wenn sie mich Mann mit Einschränkungen sieht.

Ich kannte die Stimme, habe sie aber nicht als Introjekt begriffen. Als ich sie in ihrer Natur begriffen habe konnte ich beginnen mit ihr zu arbeiten. Mit einer Art selbstangewandter Ego State Therapy habe ich mit dem Introjekt gearbeitet. Werte abgeglichen, Strategien verändert, Ressourcen bereitgestellt.

Darüber hinaus hat es neben geistiger Arbeit auch Körperarbeit gebraucht. Mit Yoga und Erfahrungen in Tantra habe ich auch meinen Körper wieder als Einheit wahrgenommen, und im Dialog dem Introjekt gezeigt wie es wirklich ist.

Es war viel Arbeit. Und als ich den Entschluss gefasst habe die NLP-Intervention Teile-Integration zu machen, war es plötzlich von selbst integriert. Es hat seinen ursprünglichen Zweck – mich von Enttäuschungen fernzuhalten – verloren, und gesehen, dass das Leben anders sehr viel besser sein kann.

Anscheinend normale Persönlichkeitsanteile

Nachdem das Introjekt gegangen war, konnte ich mich wieder meinen beiden ANPs widmen: Das mit höchstens schaumgebremsten Emotionen und das mit gelebten Emotionen.

War in der depressiven Phase fast ausschließlich das schaumgebremste ANP an der Kontrolle so ist das nach den Depressionen anders geworden. Den größeren Teil der Zeit war das ANP mit den gelebten Emotionen am Ruder. Bei Stress hat das andere übernommen.

Da ich das Glück hatte, dass die zwei ANPs praktisch alle Informationen miteinander geteilt haben sind sie ohnehin dadurch näher zusammen gewachsen.

Nachdem das Introjekt weg war, habe ich noch mal innerlich unkritisiert die Werte der beiden abgeglichen, und sie dann integriert.

Daraufhin bin ich drei Tage lang im Bett gelegen, mit allen Zuständen. Und danach mit mehr Energie denn je aufgestanden, und die Welt war ein Stück bunter geworden.

Geht das für jeden?

Ja! Ja, das geht!

Jeder der Probleme mit seinen dissoziativen Teilen hat, kann diese Probleme vollkommen überwinden.Was es braucht, ist Entschiedenheit und Unterstützung. Unterstützung einerseits im emotionalen Bereich, wenn Nebenwirkungen oder Misserfolge auftreten. Unterstützung andererseits im methodischen Bereich, weil nicht alle Interventionen allein gemacht werden sollten.

Aber egal wie verzwickt und komplex es erscheinen mag: In doch recht kurzer Zeit ist das absolut überwindbar.

Ganz wichtig: Wenn ein Teil integriert oder ein Introjekt geht: Weiß, was du willst. Hier wird Raum frei. Wenn du richtig auf deine Ziele fokussierst, wird dieser Raum gefüllt mit Dingen die dich unterstützen.

Also fang an. Weihe Vertrauenspersonen ein. Hole kompetente Unterstützung. Sei restlos offen und ehrlich. Schreib alles auf, du könntest Teile davon leicht vergessen. Und los gehts.