Intimität und Hormone

Der Begriff Intimität steht für Vertrautheit und meint ein tief vertrautes Verhältnis zwischen zwei Menschen. Vertrauen ist, wenn man sich sicher ist, dass man sich auf jemanden verlassen kann.

Neurologisch und damit physiologisch hat dieses Vertrauen etwas damit zu tun, dass man sich gut fühlt. Und sich gut zu fühlen, hat sehr viel mit den häufig sogenannten Glückshormonen zu tun.

Und damit ist Brücke geschlagen, weshalb der Titel dieses Kapitels Intimität und Hormonen direkt verknüpft.

Ist dies eine exklusive Verknüpfung? Nein! Es ist kein kausaler Zusammenhang. Aber ein funktionaler Zusammenhang, der in einer unbewussten Lebensweise ohne Reflexion oder Bewusstheit zu sehr unbedachten Weichenstellungen führen kann und Tür und Tor für bewusste wie unbewusste Manipulation öffnet.

Und sich diese funktionalen, nicht-kausalen Zusammenhänge mal vor Augen zu führen, das ist doch etwas, das sicher wert ist, sich mal mit dem Thema zu befassen?

Die Glückshormone

Wir betrachten hier als Überblick die vier häufigsten genannten Glückshormone. Das alles ist in wenigen Zeilen und stark vereinfachend zusammengefasst. Somit ist dies hier als Anleitung, sich selbst verhaltenspsychologisch zu reflektieren, zu sehen. Es ist keine medizinische Darstellung, wie welche Hormone in unserem Körper erzeugt werden und welche Auswirkungen sie im Detail in welchen Funktionsebenen des Lebens haben.

Konkret werden wir uns jetzt die vier Hormone Endorphin, Dopamin, Serotonin und Oxytocin ansehen. Dabei schauen wir ganz trivial auf die offensichtlichsten Auswirkungen dieser Hormone aus Sicht der im Volksmund gebräuchlichen Ausdrucksweisen. Noch mal abgegrenzt: Hier geht es um Unterstützung für Selbstreflexion, nicht um medizinische Vollständigkeit oder korrekte Details.

Endorphine

Das Wort Endorphin ist eine Wortkreuzung aus endogenes Morphin mit der Bedeutung „ein vom Körper selbst produziertes Opioid“. Damit sind Endorphine an sich körpereigene Schmerzmittel. Sie werden bei körperlicher Tätigkeit ausgeschüttet und sollen über die Schmerzen der Erschöpfung hinweghelfen.

Das sogenannte „Runner’s High“, also die Euphorie bei Ausdauersport, ist dann tatsächlich ein High als Reaktion auf den Morphin-Spiegel im Körper.

Euphorie ist eine Form des Sich-Gut-Fühlens. Das dann – in entsprechenden Situationen – zum Empfinden einer von Vertrauen getragenen Verbindung führen kann, die tatsächlich am High und nicht auf Vertrauen basiert.

Endorphine stehen daher auch in Verbindung mit der Produktion von Sexualhormonen. Was mit der Verbindung zu Vertrauen und weiter zu Intimität nun wenig verwunderlich ist.

Dopamin

Dopamin ist ein wichtiger, überwiegend erregend wirkender Neurotransmitter des zentralen Nervensystems. Es wird als das Belohnungshormon und auch als das Motivationshormon bezeichnet.

Denn es wird ausgeschüttet, wenn wir etwas erreicht haben. „Etwas“ ist eine sehr unspezifische Formulierung und tatsächlich ist das höchst individuell. Wenn ein Mensch eine in seinem Geiste zusammengehörige Sache erledigt hat, so schüttet sein Körper als Belohnung Dopamin aus.

Und weil es sich gut anfühlt, ist der Mensch zugleich motiviert mehr davon zu machen. Um noch mehr mit Dopamin belohnt zu werden. Belohnung und Motivation gehören als aus dem Aspekt des Dopamins zusammen.

Um vom Belohnen, weiter zum Sicht-Gut-Fühlen und zur Motivation mehr von etwas zu bekommen jetzt einen Anknüpfungspunkt zur Vertraulichkeit und damit zur Intimität zu erkennen, bedarf es nicht vieler gedanklicher Schritte. Und dass in jeglicher bewusster wie unbewusster Manipulation – ebenso wie in jedem Training mit Tieren – mit dem Belohnungseffekt gearbeitet wird, ist breites Allgemeinwissen.

Serotonin

Es gibt einen Serotoninkreislauf des Körpers im Magen-Darm-Trakt und von dort aus im Blutkreislauf und einen weiteren Serotoninkreislauf im durch die Blut-Hirn-Schranke getrennten Zentralnervensystem. Das Serotonin im Blutkreislauf hängt stark mit Entspannung und richtiger Ernährung zusammen.

Der Serotoninkreislauf im Zentralnervensystem ist für guten Schlaf wichtig, da bei Dunkelheit dieses Serotonin in Melatonin, das sogenannte Schlafhormon, umgewandelt wird. Zu den bekanntesten Wirkungen des Serotonins auf das Zentralnervensystem zählen seine Auswirkungen auf die Stimmungslage. Es gibt uns das Gefühl der Gelassenheit, inneren Ruhe und Zufriedenheit.

Anders gesagt: Serotonin verursacht, dass wir uns gut fühlen. Sicht-Gut-Fühlen wiederum kann das Gefühl von Vertraulichkeit unterstützen und damit sind wir wieder bei Intimität. Serotonin zeigt jedoch eine hemmende Wirkung auf das Sexualverhalten und die Sexualfunktionen. Es fungiert dabei als Gegenspieler des Dopamins.

Wie jedoch wird Serotonin im Zentralnervensystem produziert? Wenn der Serotoninkreislauf im Körper in Ordnung ist, dann ist zielgerichtete soziale Interaktion eine wichtige Quelle der Serotoninproduktion. Sehr vereinfacht gesagt: Wenn man etwas für sich selbst erreicht, dann schüttet der Mensch Dopamin aus. Wenn man etwas für jemand anderen erreicht, dann schüttet man Serotonin aus.

Wie beim Dopamin: Es reicht, wenn es etwas im Geist des Ausschüttenden Abgeschlossenes ist, das erreicht wird, reicht das aus, um Serotonin auszuschütten. Wer also zufrieden damit ist, den anderen einfach gewähren zu lassen, der hat sich gerade seine Dosis Glückshormon selbst beschert.

Wenn jemand bewusst oder unbewusst jemand anderen geschickt in dessen Serotoninausschüttung bringt, dann wird sich dieser andere gut fühlen und die Basis für gefühltes Vertrauen ist gelegt.

Oxytocin

Oxytocin ist das sogenannte Kuschelhormon. Bei Körperkontakt wird es produziert und lässt die Bekuschelten sich einfach gut fühlen. Auch bei Massagen wird vor allem beim Massierten Oxytocin freigesetzt. Und macht glücklich und zufrieden.

Es wird auch bei einer Geburt in großen Mengen ausgeschüttet und gilt dann als das Bindungshormon, das die Bindung zwischen Mutter und Kind besiegeln soll.

Kuschelhormon und Bindungshormon durch Körperkontakt. Körperkontakt ist übrigens auch enges Sitzen unter anderem in öffentlichen Verkehrsmitteln, natürlich vorausgesetzt, dass keine Ablehnung oder gar Abneigung gegen den Sitznachbarn vorhanden ist. Weniger Körperkontakt, weniger Oxytocin, mehr Körperkontakt ergibt mehr Oxytocin.

Sich-Gut-Fühlen trägt Vertrauen, was wiederum Intimität bedeutet. Sich-Gut-Fühlen bedeutet, dass man mehr davon möchte. Aber ist man sich sicher, dass man mehr Intimität möchte, getragen aus Situationen, die an sich nur zum Sich-Gut-Fühlen da sein sollten?

Es ist Zeit, dass wir uns mit Intimität beschäftigen.

Intimität und Bewusstheit

Intimität steht für Vertrautheit und damit dem Vorschuss an Vertrauen für die zukünftige Beziehung zwischen zwei Menschen. Vertrauen zwischen zwei Menschen entsteht, wenn diese zwei sich verbunden fühlen, weil sie sich gleich fühlen, sie das Gleiche tun oder glauben das Gleiche zu denken und zu wollen.

Es ist eine gute Sache, dass sich Vertrautheit recht einfach bildet und derart für Verbindung nutzen lässt. Kurzfristig gedacht.Mittelfristig und langfristig gedacht darf sich jeder sehr wohl bewusst machen, wie er/sie wo und in welcher Form zulässt, dass sich Vertrautheit und Intimität bildet.

Als Teenager ist die Spontanität des Augenblicks das Gebot der Stunde. Egal, ob es um den nächsten One-Night-Stand geht, oder um spontane Sportkameraden oder erste Geschäftspartner. Es einfach geschehen zu lassen und derart Erfahrungen zu sammeln – gute wie schlechte Erfahrungen – ist genau das, was in dieser Alterskategorie angezeigt ist.

In späteren Lebensjahren dann, wenn sich das Leben ausgerichtet hat, dann ist angezeigt, sich bewusst zu machen, wie manche Aktivitäten und Tätigkeiten auf Intimität wirken und damit das Leben beeinflussen können. Nur weil man beim Sport durch Gemeinsamkeiten und Hormone mit jemandem in Vertrautheit gerät, ist es vermutlich keine gute Idee den Job zu kündigen, um für die neue Bekanntschaft zu arbeiten.

Man darf sich auf bewusst machen, dass solche zwischenmenschlichen Intimitäten zwischen potenziellen Geschlechtspartnern, die Zukunft der eigenen an sich etablierten Beziehung negativ beeinflussen und vielleicht sogar ein Andauern dieser Beziehung unmöglich machen. Ganz ohne die Notwendigkeit, mit kurzfristigen Intimitäten gleich fremdzugehen. Das ist wie Rost: Wenn ich Eisen immer feucht halte, wird es roste und brüchig werden. Ganz egal, wie tragfähig die Eisenkonstruktion gewesen sein mag.

Dimensionen der Intimität

Intimität hat zwei Dimensionen. Ganz wie ein Rechteck sich in zwei Dimensionen ausdehnt. Und der Flächeninhalt des Rechtecks ist die Menge an Intimität, die geschieht.

Dabei ist die Länge des Rechtecks die Dauer der auftretenden Intimität. Die Breite des Rechtecks ist die Intensität der Intimität. Kurz ganz eng mit jemandem im Fahrstuhl zu stehen ist ähnlich intim wie lange diagonal über dem Raum im gleichen Wartezimmer zu sitzen. Breite mal Länge ergibt den Flächeninhalt, also die Menge der Intimität. Zehn Sekunden sehr eng zu stehen ist vergleichbar mit zwei Stunden gemeinsam im Warteraum zu sein. Man ist danach keine gänzlich Fremden mehr.

Viel Zeit in einem engen Setting zu verbringen – erst recht, wenn Situationen mit den Glückshormonen damit verbunden sind – ergibt eine große Menge Intimität. Dessen darf sich jeder bewusst sein, das darf als solches geplant sein und vor allem ist damit eigenverantwortlich und selbstbestimmt umzugehen.

Umgang mit der Intimität

Egal in welcher Hinsicht: Erwachsene Menschen haben die Verantwortung über das Kurzfristige hinaus ihre Intimitäten und auch ihre Glückshormone hinsichtlich Intimitäten absolut bewusst zu haben. Wir sind als Erwachsene schlicht keine Teenager mehr, die frei von mittel- oder langfristiger Verantwortung einfach in den Tag hineinleben können.

Wie schrecklich? Nein! Es ist ein Geschenk, die Eigenverantwortung nehmen und die Selbstbestimmung bewusst leben zu dürfen. So viele Menschen erhalten nie die Gelegenheit dazu. Nur, weil das Reflektieren und das Bewusstmachen der Eigenverantwortung auch mal aus der Komfortzone hinausführen kann, ändert das nichts daran, dass es ein Geschenk ist, das erleben zu dürfen.

Bewusster Umgang mit Intimität und Situationen, in denen Intimität entsteht, ist also für alle, die die Eigenschaft „erwachsen“ für sich in Anspruch nehmen wollen, ein wichtiger Schritt, den zu nehmen es gilt.